
Wer ist schuld am Tod Jesu?
Die Beschäftigung mit diesem Thema ist kein Randthema, sondern ist verbunden mit einer großen geschichtlichen Verantwortung und Last. Denn seit dem 2. Jahrhundert gibt es eine theologische Tradition, die Juden als „Gottesmörder“ zu bezeichnen. Im geschichtlichen Rückblick lässt es uns erschaudern, welche Entwicklungen dadurch angestoßen wurden: den kirchlichen Hass auf die Juden, die durch die oben genannte Bezeichnung praktisch vogelfrei wurden. Die Schuld an der Tragödie wird auf die Juden selbst abgewälzt: Hatten sie sich nicht selbst in einer Art Selbstverfluchung für die Tötung Jesu eingesetzt, als sie riefen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ (Mt 25,27). Der Antijudaismus begleitet die Ausbreitung des antiken und mittelalterlichen Christentums. Die Juden werden zum Sündenbock bei Seuchen und Naturkatastrophen gemacht. Man bezichtigt sie des Raubes von christlichen Neugeborenen und deren rituelle Tötung. In zahllosen Pogromen werden sie getötet, enteignet und vertrieben. Im 19. Jahrhundert bündeln sich die Fäden und die geistig-seelischen Deformationen dieses schrecklichen Erbes in einem deutschnational-germanisch-mythologischen Antijudaismus, der sich zur Dämonie der Planung und teilweisen Ausführung der Judenausrottung im Dritten Reich steigerte.
Heute haben sich alle Kirchen von diesem Erbe entschieden losgesagt. Aber in manchen rechtslastigen Kreisen, die sich auf eine nationale Identität berufen, wird dieses Gedankengut am Leben erhalten und wiedergekäut, und seine vermeintlich jede Gemeinheit rechtfertigende Emotionen demagogisch genutzt.
Wer ist schuld am Tod Jesu? (PDF zum Nachlesen, Titel anklicken
.