Wieser

Die hier veröffentliche Studie „Amos: Kurzzeitprophet mit Langzeitwirkung“ basiert auf dem Skriptum für einen gleichnamigen Studientag der ICAM, der Internationalen Christlichen Akademie München.

Amos ist eine ungewöhnliche Erscheinung im Kontext der biblischen Prophetie. Er behauptet nämlich vehement: „Ich bin kein Prophet, noch einer von den Prophetenschülern“ (Amos 7,14) und dennoch prägt er nachhaltig das Bild eines echten Propheten. Mit Amos vollzieht sich nämlich unumkehrbar eine Ethisierung des Gottesverständnisses: Gottes Wille ist nur über die Mitmenschlichkeit, über das Verhältnis zu den Armen und Wehrlosen zu erfüllen. Religiöse Gerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten ein und derselben Münze. Unüberbietbar verschafft sich dieses Verständnis in dem wohl bekanntesten Ausspruch Gottes durch Amos Luft (5,21-23): „Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen und an euren Speiseopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“
Obwohl Amos nur für eine kurze Zeitspanne, vielleicht nur wenige Wochen, am Reichsheiligtum des Nordreiches Israel in Bethel auftritt und nach seinem Rauswurf zu seinem angestammten Beruf als Maulbeerfeigenproduzent und Schafzüchter in den Süden Judas zurückkehrt, hat sein Auftraten Langzeitwirkungen: Jesus selbst nimmt die Verkündigung des Amos auf, wenn er in seinem Gleichnis von den Böcken und Schafen (Matth 25,35-36.40) in der Funktion des Weltenrichters sagt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Eine weitere Langzeitwirkung des Amos kommt einem nicht sofort in den Sinn. Karl Marx, der jüdischer Herkunft war, übernahm einige Grundüberzeugungen aus dem prophetischen Erbe seiner Religion, vornehmlich von Amos und Micha, aber auch von anderen Propheten. Doch Marx baute einen folgenschweren Systemfehler in seine nach ihm benannten Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie ein: Er verwarf Glaube und Religion als ein die Kleinen verdummendes Instrument in der Hand von Reichen und Mächtigen („Opium für das Volk“). Darin liegt wohl die größte denkbare Distanz zwischen Marx und Amos. Denn letzterer sieht in einer schonungslos ehrlichen Rückkehr zu Gott die entscheidende Grundlage für eine gesellschaftliche Gesundung.

Das PDF Dokument unten umfasst folgende Abschnitte:

  • Geschichte und Erscheinungsform der Prophetie in Israel
  • Selbstverständnis und Anspruch der kanonischen Prophetie Israels
  • Die Zeit des Amos (politisch, wirtschaftlich, religiös, sozial)
  • Der Mensch Amos
  • Die Botschaft des Amos (Die Kritik des religiösen Selbstbewusstseins und Die Kritik der Gesellschaft)
  • Amos und wir

Einleitung (Hördatei)

Amos: Kurzzeitprophet mit Langzeitwirkung
(Ganze Studie als PDF – Titel oben anklicken)