24.6 Psalmen – Klage

Die Klage ist aufs engste mit dem Bitten und Rufen verwandt. Doch das Schreien nimmt einen bitteren Ton an. Es wird ungeduldig und anklagend: gegen Menschen und gegen Gott, der mit seiner Hilfe auf sich warten lässt. Im christlichen Glauben sind das Klagen und Anklagen zumindest aus den öffentlichen Gebeten verschwunden. Wenn Jesus die Feindesliebe fordert, dann kann man doch nicht Wut und Zorn, bösen Gedanken, Verurteilungen und Rachegelüsten freien Lauf lassen?
Solche hohen Ideale können aber zum Bumerang werden und zwar dann, wenn wir zwar nicht klagen, aber wortlos Groll in unserem Herzen sammeln, auch das Gefühl der Enttäuschung über Gott. Die dunkle Seite unserer Seele, mit den zugefügten Verletzungen, mit dem Bodensatz aus erlittenem Unrecht und Erniedrigungen kann sich selbständig machen und abseits des Glaubens ein Eigenleben führen. Es gibt also gute Gründe, solche Erfahrungen und Gefühle in Worte der Klage und Anklage zu fassen. Gott kann damit umgehen. Sonst gäbe es keine Klagepsalmen in der Heiligen Schrift – und auch nicht das Buch Ijob (Hiob).

Ergänzende Predigt: Psalm 30,12 Du hast meine Klage in Reigentanz verwandelt (Titel anklicken)

Hinweis: Wer sich nur die Predigten aus den einzelnen Psalmengruppen noch einmal anhören will, findet sie etwas zeitversetzt als gesonderte Pod